Von Felix Krebs
Über die „Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg“ ist auch in der antifaschistischen Öffentlichkeit wenig bekannt. Sie arbeitet streng konspirativ, ihre Mitglieder tragen Tarnnamen wie Sargnagel, nennen sich nach Militärs wie Wallenstein oder Tirpitz oder auch nach dem Plastiksprengstoff Semtex. Sie „sind stolz eine tatkräftige, verschworene Gemeinschaft von Freunden zu sein.“
Die Konspirativität hat berechtigte Gründe, denn in ihren Reihen finden sich gehäuft überzeugte Neonazis. In den letzten beiden Jahren gerieten allerdings gleich zwei ihrer Alten Herren in die Schlagzeilen: Martin Stoffers, weil er für die CDU-Hochschulgruppe an der Uni Hamburg kandidierte und in deren Vorstand saß, sowie Jochen Schmutzler, der als Lehrer an einer katholischen Schule arbeitete. Stoffers musste zurücktreten und Schmutzler wurde von seinem Arbeitgeber gekündigt.
Die Chattia wurde 1989 im hessischen Friedberg gegründet und nennt sich nach dem Volksstamm der Chatten. Mitte der 90er Jahre übersiedelte sie nach Hamburg und wurde u.a. von Stoffers und Schmutzler aufgebaut. Schmutzler kandidierte schon 1978 für die NPD und ist der Partei bis heute treu geblieben. Seine Frau Karin, ebenfalls NPD-Mitglied und Lehrerin, arbeitet außerdem für die neofaschistische Jugendorganisation „Heimattreue Deutsche Jugend“. Da die Chatten kein eigenes Burschenhaus haben, treffen sie sich regelmäßig bei den Schmutzlers zum Stammtisch. Für einen Vortrag über seine Teilnahme an der berüchtigten Holocaust-Konferenz im Iran kam z.B. im Februar 2007 extra ein verurteilter Holocaustleugner in das Haus der braunen Pädagogen. Bei größeren Veranstaltungen sucht man Unterschlupf in den Häusern der Burschenschaften „Germania“ und „Hansea-Alemannia“. So hielt z. B. Chatte „Wallenstein“, alias Frank Schrader, im Germanenhaus den Vortrag „Südtirol im Freiheitskampf“. In den Semesterprogrammen finden sich außerdem Reichsgründungsfeiern, Heldengedenken, Sonnenwendfeiern, altgermanische Julfeiern oder Vorträge wie „Hindenburg – Soldat und Staatsmann“.
Die Aktivitas von Schülern und Studenten ist gemischtgeschlechtlich angelegt, verlor jedoch vor zwei Jahren ihre letzte aktive Frau. Unter den Alten Herren befinden sich Ärzte, Professoren, Rechtsanwälte und auch Nicht-Akademiker. In Hamburg warb die Korporation erstmals 1995 per Flugblatt mit ihrem Eid „Volkstum – Wahrheit – Recht“ an Schulen. Einer ihrer Schüler, der Gymnasiast Johannes D., wurde im Oktober 2007 zu 10 Monaten Jugendstrafe für einen rassistischen Überfall verurteilt.
Bei den Pennälern begrüßt man sich mit „Heil“ und fühlt sich als „das letzte Aufgebot Deutschen Volkstums“. Man meint gegen „sittliche Entartung“ und „für Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung streiten zu müssen“. Die propagierte völkische Ideologie wird kombiniert mit einem betont männlichen Habitus: Die braunen Burschen schlagen Säbelmensuren am nackten Oberkörper, eine Praxis die selbst in korporierten Kreisen auf Widerspruch stößt. Die Chattia ist dem „Allgemeinen Pennäler Ring“, einem Zusammenschluss völkischer Schülerverbindungen angeschlossen. Christian Korte (Frettchen) vertritt die Chatten dort als Schriftwart.
Die Verankerung in der Hamburger Nazi-Szene lässt sich gut belegen. André Kinnigkeit (Sargnagel), studiert Wirtschaftswissenschaften und war Delegierter zum NPD-Landesparteitag im Februar 2007, als Jürgen Rieger zum Vorsitzenden gewählt wurde. Der ehemalige Angehörige der Krisen-Reaktions-Kräfte wohnte zu dieser Zeit im Haus der Burschenschaft Germania Hamburg. Sein Germanenbruder André Busch (Tirpitz) ist ebenfalls Alter Herr bei den Chatten. Sein Faible für das Militärische äußert Busch nicht nur mit seinem Tarnnamen. Er schrieb mehrfach Beiträge in dem Waffen-SS-Blättchen „Der Freiwillige“. Beim 50-jährigen Jubiläum der SS-Organisation HIAG 2005 in Büchen nahmen Burschen der Chattia in vollem Wichs teil. Und umgekehrt waren bei Ehepaar Schmutzler mehrfach SS-Veteranen zu Gast.
Zu einem „Vortrag von Veteranen“ lud 2006 auch der Alte Herr Olaf Svensson (Wikinger) ein. Die Veranstaltung mit einem ehemaligen NS-Offizier und Auschwitzleugner wurde vom neonazistischen „Aktionsbüro Norddeutschland“ organisiert und es kam die gesamte Hamburger Szene. Der ehemalige Jurastudent Svensson hat gute Kontakte zur NPD und ins Spektrum der Freien Kameradschaften. So schrieb der orthografie-schwache Nazikader Torsten de Vries 2006 ein „Herr Olaf Swenson“ würde an Kameradschaftstreffen teilnehmen. Es ist gut möglich, dass Aktive der Chattia auch dem im Januar dieses Jahres gegründeten Stützpunkt Hamburg der „Jungen Nationaldemokraten“, der Jugendorganisation der NPD angehören. Ideologisch dürfte es jedenfalls keinerlei Schwierigkeiten geben.
Allerdings sind nicht nur die Verbindungen in Hamburgs neofaschistische Szene gut, sondern auch die ins übrige korporierte Lager. Obwohl schon vor 3 Jahren die konservative Zeitung Welt meldete „Burschenschaft lockt Neonazis an die Universität“ und auf die „von den Sicherheitsbehörden als rechtsextrem eingestufte Burschenschaft ‚Pennale Burschenschaft Chattia Friedberg zu Hamburg’“ aufmerksam machte, gab es von anderen Hamburger Korporationen bisher keine öffentliche Distanzierung. Regelmäßig nimmt die Nazi-Burschenschaft stattdessen an gemeinsamen Feierlichkeiten, wie dem „Hamburger Korporationsball“ oder dem „Hamburger Verbändekommers“ teil.