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Hamburger Bauer-Verlag profitiert von brauner Propaganda

Felix Krebs

Seit Anfang des Jahres gibt es an den Kiosken ein neues extrem rechtes Monatsmagazin namens Zuerst! zu kaufen. Verleger des „deutschen Nachrichtenmagazins“, welches dem „Konformitätsdruck des Meinungskartells“ den Kampf angesagt hat, ist der langjährige braune Strippenzieher Dietmar Munier aus Schleswig-Holstein. Vertrieben wird die neue Nazipostille hingegen von einem seriösen Partner, der Verlagsunion (VU), einer 100%igen Tochtergesellschaft des Hamburger Bauer-Verlages.

Nachfolgerin der dienstältesten neofaschistischen Zeitschrift

Im Impressum von Zuerst! wird angegeben, das neue Magazin sei vereinigt mit der Zeitschrift Nation und Europa (NE), einem führenden Theorieorgan der neofaschistischen Szene, welches sich ursprünglich am Europa-Gedanken der Waffen-SS orientierte und schon 1951 von Arthur Erhard, ehemaliger SS-Hauptsturmführer und Chef der „Bandenbekämpfung“ gegründet wurde. Aufgrund ihres eindeutig neofaschistischen Charakters, gilt NE auch dem Hamburger Inlandsgeheimdienst "als das bedeutendste rechtsextremistische Theorie- und Strategieorgan". Letzter Mitherausgeber von NE war bis November 2009 der ehemalige NPD-Funktionär Harald Neubauer, der sein journalistisches Handwerk im Verlagsimperium von Gerhard Frey (Nationalzeitung) lernte. Bei der neuen Zuerst! sorgt Neubauer für die personelle und weltanschauliche Kontinuität von NE, er ist Mitarbeiter der Zeitung. Auch Verleger Dietmar Munier sieht seine Zeitschrift in bewährter Nazi-Tradition: „Nation und Europa wird ja nicht eingestellt. Zuerst! ist die Umgestaltung von NE, um sie für das 21. Jahrhundert sturmfest zu machen. Zuerst! setzt die bewährte programmatische Linie fort...“

Brauner Strippenzieher als Verleger

Verleger Munier kommt wie Neubauer aus den Reihen der Nationaldemokraten, früher war er stellvertretender Landesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) in Schleswig-Holstein. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich Munier in Martensrade (Kreis Plön) eines der größten Verlagsimperien der extremen Rechten aufgebaut, von denen Teile seit Jahren in Verfassungsschutzberichten des Landes Schleswig-Holstein erwähnt werden. Lud Munier ursprünglich auch zu Wehrsportübungen ein, so hat er sich inzwischen auf den „Kampf um die ehemaligen deutschen Ostgebiete“ spezialisiert. Wegen seiner revanchistischen Tätigkeiten erhielt Munier Einreiseverbot in Russland, in Deutschland stand er Ende der 90er Jahre wegen des Buches "Dokumente polnischer Grausamkeiten" vor Gericht.

Er gilt in der Szene als potenter Finanzier, einflussreicher Strippenzieher und Arbeitgeber für Neonazis. So arbeitet in seinem Verlagskomplex z.B. Jens Lüdtke, NPD-Vize in Schleswig-Holstein.
Muniers neuer Chefredakteur ist der ehemalige Redakteur der Tageszeitung Die Welt Günther Deschner, der schon lange für die völkische Zeitung Junge Freiheit schrieb. Für den Munier-Komplex stand Deschner bislang als Autor und Interviewpartner der extrem rechten Deutschen Militärzeitschrift (DMZ) zur Verfügung. Von dort kommt auch ein weiterer Vielschreiber von Zuerst!, Manuel Ochsenreiter, seit Ende 2004 ist er Chefredakteur der DMZ. Ochsenreiter gab auch schon mal der NPD-Zeitung Deutsche Stimme ein Interview und war 2008 zu Gast bei der islamistisch-fundamentalistischen Hisbollah im Libanon.

Zuerst! – Das Allerletzte

Die neue Zeitschrift, welche in ihrem modernen Outfit dem Magazin Focus ähnelt, will gerne das rechte Pendant zum Spiegel sein, ist inhaltlich allerdings eher auf dem Niveau der Nationalzeitung. Im Editorial der Erstausgabe bedient sich Chefredakteur Günther Deschner auch schon mal der Sprache des Dritten Reiches, wenn er von der „Entartung unseres politischen Systems“ schreibt und darüber lamentiert das der Spiegel „zersetzend gewirkt hat.“ Deschner hetzt gegen angebliche „Entmündigung des Volkes“ und „Kulturvernichtung durch die 68er“ und Munier sekundiert: durch „massenhafte Einwanderung“, „rekordverdächtige Fortpflanzung der Fremden“ und „Verlust der eigenen ethnischen Identität“ befände sich Deutschland in „höchster Gefahr“. Mit den Dauerbrennern nationale Identität, Kulturkampf, political correctness und kaum verhohlenem Rassismus unterscheidet sich Zuerst! kaum von anderen Blättern aus dem rechten Sumpf. Auch antisemitische Verschwörungstheorien werden in der Titelstory „Wer regiert Deutschland wirklich? Banker und Politiker, Spekulanten und Strippenzieher“, wenn auch etwas kaschiert, gepflegt. Von einer „Nomenklatura“ „effizient-diskret tätige(n) Schattenmännern – einer Kaste gleich“ und von „führenden Wallstreet-Investmentbankern“ wird in dem Artikel geraunt – und der braune Leser weiss auch ohne die explizite Erwähnung, dass hier das „jüdische Finanzkapital“ gemeint ist.

Straffreiheit für Holocaustleugner und Sympathie mit Attentätern

Ebenfalls in der Erstausgabe unterstützt in einem Interview Günter Bertram, ehemaliger Richter aus Hamburg, posthum den verstorbenen Nazianwalt Jürgen Rieger und dessen Klage gegen den § 130 Abs. 4 StGB (Strafbarkeit der Billigung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft). Dieses Gesetz sei ein Sondergesetz, „höchst fragwürdig“ und die „Bewältigung der Vergangenheit“ „schon lange völlig verdreht worden, verflacht und aus dem Ruder gelaufen“. Auf die Frage, ob Leugner von NS-Verbrechen oder deren Bestrafer die größere Gefahr seien, antwortet Bertram „pures Bestreiten usw.“ „gefährdet überhaupt nichts.“ Und präzisiert an anderer Stelle „daß die freie, öffentliche Debatte der Ort sein sollte, wo diese Auseinandersetzung geführt werden muß.“ – was nichts anderes heißt als Straffreiheit für Holocaustleugner.

In dem Artikel „Los von Rom“ werden sogar ehemalige rechte Attentäter emphatisch als „Freiheitskämpfer“ gefeiert, welche „durch Sprengstoffanschläge auf italienische Infrastruktur“ den Südtiroler Autonomiestatus herbeigebombt hätten. Dass die Bomben über 20 Menschenleben kosteten bleibt unerwähnt, gefasste Attentäter werde hingegen zu „politischen Gefangenen“ stilisiert, welche „Folter und Erniedrigung“ ausgesetzt gewesen seien. Peter Kienesberger, ehemaliger Bombenspezialist, der in Italien in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, darf dann mit seinem Buchdienst Südtirol auch eine ganzseitige Anzeige in Zuerst! schalten. Überhaupt ist das braune Blatt gespickt mit Anzeigen der extremen Rechten, zu aller erst natürlich mit denen aus dem Verlagshause Munier.
Doch nicht nur geistige Munition hält braune Blatt bereit, in der Februar-Ausgabe wird zum Abschluss des Artikel “Die Hölle von Dresden” auch zur Tat gerufen: Hier wird für den größten europäischen Naziaufmarsch  in Dresden von der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen mobilisiert.

Geld stinkt nicht – braune Scheiße schon

Munier ist das gelungen, wovon andere braune Verleger nur träumen können. Er fand für seine Postille (90.000 Auflage) mit der Verlagsunion (VU) einen der größten Zeitschriftenvertriebe Deutschlands. Da der Bauer-Verlag seit Jahrzehnten alle Anteile an der VU hält, ist der Hamburger Verlag auch verantwortlich für diese Kooperation. Nur durch die Bauer-Tochter könnte es Munier gelingen, seine Nazizeitung über Bahnhofskioske etc. auch in dem letzten Dorf zu verkaufen. Bisher sind die meisten Nazizeitungen nur im Abonnement erhältlich. "Im Vordergrund steht hierbei immer der wirtschaftliche Erfolg der Zeitschriften" schreibt die VU in ihrer Unternehmensphilosophie. Der Bauer-Verlag ist also mitverantwortlich, wenn Nazipropaganda überall erhältlich ist, ein brauner Strippenzieher wie Dietmar Munier damit Geld und Einfluss gewinnt und dieser in seinem Verlagskomplex weiterhin Kameraden aus der NPD einen Arbeitsplatz bieten kann.

Eine Unternehmenssprecherin des Bauer-Verlages erklärte „Für den Fall, dass Zuerst! gegen geltendes Recht verstoßen sollte, wird die VU die vertraglichen Bedingungen umgehend kündigen.“ Mit dieser Begründung könnte der Bauer-Verlag auch den Vertrieb der Deutschen Stimme, Parteiorgan der NPD rechtfertigen. Der finanzielle Profit durch den Vertrag mit Munier scheint momentan noch größer zu sein,  als das schlechte Image durch den Vertrieb brauner Propaganda.